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Schnelle Fakten
- Ölziehen ist eine antike Behandlung für Zahngesundheit und Entfernung von Bakterien, bei welcher Olivenöl oder Kokosöl im Mund gespült wird.
- Es muss hochwertiges Öl bzw. Fett verwendet werden, bzw. natives und kaltgepresstes Olivenöl oder Kokosöl sind notwendig.
- Eine 20-minütige Behandlung am Tag ist ausreichend, kann aber auch über den Tag verstreut erfolgen.
- Das Öl sollte nicht geschluckt werden.
- Das Öl sollte nach dem Ziehen sorgfältig entfernt werden und nicht im Abfluss landen.
- Wissenschaftlich eine etwas umstrittene Methode, dennoch erfolgversprechend und mit wenigen Risiken verbunden.
Was das Ölziehen eigentlich ist – kurz gesagt
Gesunde Zähne sind unglaublich wichtig. Ölziehen beschreibt eine antike und recht unkomplizierte Methode zur tagtäglichen Entgiftung. Diese Methode hat eine lange Tradition in ihrem Gebrauch für die Erhaltung der Zahngesundheit und der Mundgesundheit. Hier sollen sehr positive Effekte erzielt werden.
Die Technik kann bzw. wird meistens gegen Zahnfleischbluten und üblen Mundgeruch verwendet. Zusätzlich soll diese Anwendung lockere Zähne festigen, Zahnbelag und Raucherbelag entfernen, Zahnkrankheiten wie Karies oder Gingivitis fernhalten und ganz allgemeine schönere, weiße Zähne hervorbringen.
Es wird oft im Rahmen einer ganzheitlichen, alternativen Therapie zahlreicherer Krankheiten angewendet. Im Volksmund sollen die Erfolge sogar so weit gehen, dass kardiovaskuläre Beschwerden wie Herzkrankheiten, Blasen- und Nierenleiden oder Arthritis gelindert werden.
Die lange Geschichte des Ölziehens
Die Anwendung hat eine äußerst langatmige, mit Mythen bereicherte Geschichte. In der traditionellen indische Lehre der Ayurveda wird eine Ölkur als gängiges Zweckmittel für eine Vergiftung verwendet. Das Öl wird in den Mundraum geführt und gespült. Dabei sickert das Öl in die Zahnzwischenräume ein, lagert sich kurzfristig auf den Zähnen und am Zahnfleisch ab und reinigt alle bedeckten Flächen von Keimen, Essensresten und anderen Übeltätern. Bakterien im Mund werden sind also nur ein Aspekt.
Dadurch spricht man auch von „Mundziehöl“, da dem Mund schädliche Bakterien, Beläge und Gerüche entzogen werden. Die antibakterielle Wirkung äußerst sich auch in schönen, weiße und glänzende Zähne. Einzelne Studien von indischen Wissenschaftlern im letzten Jahrzehnt sollen den traditionellen Glauben auch mit wissenschaftlicher Begutachtung bestätigen, vor allem der Effekt auf die Zahngesundheit und die Gesundheit des Zahnfleisches wurde angeblich nachgewiesen.
Wie Ölziehen wirken soll
Wie kurz angedeutet, werden bei der Ölkur Beläge (z.B. Plaque) an den Zähnen und zwischen den Zähnen reduziert und schädliche Keime im Raum abgetötet. Das Öl regt auch die Speichelbildung an und soll das Immunsystem, vor allem die Lymphknoten, stimulieren.
Gifte und Säuren werden dabei aus den bedeckten Stellen gezogen und sammeln sich im Öl an, welches durch die Spülung überall durchsickert und bei jeder Bewegung etwas mehr der unerwünschten Substanzen entfernt. Zusätzlich soll die Zahnfleisch-Durchblutung verbessert werden und die Selbstheilungsmechanismen des Zahnfleisches angeregt werden.
Der erwartete positive Effekt erstreckt sich jedoch viel weiter, als lediglich im Mundraum. Die antibakterielle Entgiftung im Mund führt zu einer Entlastung des gesamten Organismus, sodass eine positive Kaskade im ganzen Körper ausgelöst wird. Weiße Zähne sind somit lediglich der Anfang.
Step-by-Step Anleitung
Wichtige Vorbedingung
Zeit nehmen, Wirkung überprüfen
Was man unbedingt vor der ersten Behandlung wissen sollte: lassen Sie sich für die erste Ölkur reichlich Zeit und fokussieren Sie sich nur auf die Ölkur. Dies hat mehrere Gründe.
Ein wichtiger Grund ist die bessere Selbst-Überprüfung der Methode. Wie angedeutet, ist sich die Wissenschaft hierzu nicht ganz einig, ob die Ölkur die oben geschilderten Effekt signifikant positiv beeinflusst.
Aus diesem Grund empfehlen wir eine genaue Inspektion des Vorgangs und aller beobachtbaren Effekte. So sollten Sie überprüfen, wie sich der Mundraum während der Anwendung anfühlt (Schmerzen, Beschwerden oder Entlastung etc.) und ob ein merkbarer Unterschied zum vorher besteht.
Wenn das Öl die Farbe verändert hat und der Mund sich allgemein besser anfühlt, eventuell auch der Mundgeruch verschwunden ist, sind erfolgversprechende Bedingungen erfüllt. Sind hingegen wirklich gar keine feststellbaren Unterschiede vorzufinden, ist die Ölkur für Sie eventuell eine Zeitverschwendung.
Nüchtern bleiben, Zunge reinigen
Um die optimalen Bedingungen für eine erfolgreiche Anwendung zu gewährleisten, sollte man den Mundraum etwas vorbereiten. Der nüchterne Magen am Morgen ist ein guter Startpunkt: wenn man nämlich keine Nahrung oder Getränke zu sich nimmt, kann sich das Öl tiefer ansetzten und bessere Effekte erzielen. Außerdem ist die Ölkur etwas deftig und fühlt sich für Anfänger etwas, aus dem Mangel eines besseren Wortes heraus, „komisch“ an. Dies führt vereinzelt zu einem Übelkeitsgefühl, falls man davor Nahrung zu sich genommen hat.
Schließlich sollte man jedenfalls auch die Zunge mit einem Zungenschaber ein paar Minuten ordentlich von Belägen und Keimen vor-reinigen, da diese generell nicht so oft gereinigt wird und somit eine starke Konzentration von Belägen beinhaltet.
Los gehts mit der Step-by-Step Anleitung
Das richtige Öl wählen
Ein Esslföfel Öl ist für eine Behandlung meistens ausreichend, ein verträgliches Maximum stellen eineinhalb Esslöffel dar. Das richtige Öl ist ebenfalls sehr wichtig. Man sollte grundsätzlich auf niederwertige Öle verzichten, aus demselben Grund, warum man niederwertige Öle auch in seiner Nahrung unbedingt vermeiden sollte. Kaltgepresstes Öl ist eine Grundvoraussetzung. Für eine Ölkur eignen sich unter anderem folgende Öl-Sorten.
– Kokosöl
– Leinöl
– Olivenöl
– Sonnenblumenöl
– Rapsöl
– Spezielles Mundziehöl aus der Drogerie
Die beste Sorte stellen sicherlich Kokosöl und Olivenöl dar, so sollte man bei Möglichkeit diese Öle verwenden. Sie sind recht angenehmen und lassen sich am leichtesten durch die Zähne spülen.
Die Zungenreinigung
Die ayurvedische Zungenreinigung ist etwas ganz besonderes. Hier wird ein Zungenschaber verwendet, damit die Zunge sauber wird und die rosa Farbe zurückerlangt. Der Mundgeruch wird sofort reduziert und das Geschmacksempfinden wird wiederum feiner und akkurater. Ebenfalls soll man auf die richtige Reinigung der Zahn-Reflexzonen achten, wodurch das gesamte Verdauungssystem angeregt werden soll und eine Entgiftung des ganzen Körpers stattfinden kann.
Start der Ölkur
Nach der Auswahl des richtigen Öls und der Reinigung der Zunge kann man bereits das Öl zu sich nehmen und mit einer Spülung anfangen. Dieses Prozedere dauert durchschnittlich 20 Minuten, eine halbe Stunde ist ebenfalls vollkommen in Ordnung.
Spülen Sie den Mund zuerst langsam und steigern Sie die Intensität der Behandlung nach und nach. Versuchen Sie zu fühlen, wo das Öl hinkommt und wo das Öl noch nicht angelangt ist. Damit können Sie den Fluss und das Ziehen bewusst steuern und alle Flächen mit etwas Gefühl und Übung mit dem Öl abdecken. Geben Sie darauf Acht, dass Öl etwas dickflüssiger ist und nicht mit einer Mundspülung verglichen werden kann, das Gefühl im Mundraum ist somit einzigartig. Lernen Sie dieses Gefühl in Ihrem Tempo kennen und lernen Sie damit umzugehen. Falls Sie Zahnbeschwerden wie Parodontitis haben können Sie zum Öl zusätzlich etwas Grapefruit bzw. ein paar Tropfen Grapefruit-Extrakt hinzufügen.
Gründlich spülen, aber bitte nicht gurgeln
Nachdem Sie die Materie kennengelernt haben, sollten Sie das Öl in Ihrem Mund in gleitender Bewegung halten. Schlürfen Sie und saugen Sie das Öl durch die Zähne, versuchen Sie vor allem, das Öl durch die Zahnzwischenräume zu ziehen.
Pausen sind selbstverständlich angemessen. Damit kann sich das Öl in Ihrem Mund gut verteilen und etwas länger an einer Stelle einwirken. Außerdem schützen Sie Ihren Kiefer. Ein oft vorkommender Fehler ist das Hinterlehnen des Kopfes, um das Öl zu gurgeln. Dies erscheint als eine verständlicher, natürlicher Reflex, ist aber etwas gefährlich.
Es verführt uns dazu, entweder absichtlich und zufällig das Öl zu schlucken. Dies ist eher schlecht, weil sich im Öl zahlreiche Keime und Gifte angesammelt haben, welche man eigentlich loswerden wollte. Diese in den Organismus zu spülen erscheint nicht gerade sinnvoll.
Achten Sie zusätzlich auf einen Muskelkrampf. Eine 20-minütige Spülung kann Ihrer Kiefer-Muskulatur etwas zusetzen, die Muskeln sind an diese Belastung nicht gewohnt. Verspüren Sie in einem Moment, dass der Kiefermuskel stark angespannt ist, weil Sie zu intensiv spülen, sollten Sie entspannter an die Sache herangehen. Ein Muskelkater des Kiefer-Knochens ist für die meisten sehr schockierend und ungewohnt, die Gefahr aus Reflex zu schlucken erhöht sich.
Öl ausspucken – bitte umweltschonend
Nach Ihrer Behandlung sollte die Mischung aus Öl und Speichel jedenfalls ausgespuckt werden. Die Farbe sollte weiß geworden sein, die Konsistenz deutlich dünnflüssiger. Bitte spucken Sie nicht in einen Kübel oder in den Abwasch.
Wie auch Speiseöl, enthält auch dieses Öl (spätestens jetzt) zahlreiche Toxine, Bakterien und Tenside, welche nicht unbedingt in den Wasserkreislauf gelangen sollten. Wasserkläranlagen haben es mit Ölen besonders schwer und werden noch stärker belastet. Tun Sie der Welt was Gutes und spucken Sie das Öl in ein Tuch, oder einen eigenen Öl-Behälter, und entsorgen Sie das Öl umweltschonend.
Spülen Sie abschließend Ihren Mund mehrere Male mit warmem Wasser aus. Dieses Wasser können Sie hingegen in den Abwasch spucken.
Zähne putzen
Anschließend sollten Sie Ihre Zähne gründlich putzen. Eine gute Zahnpasta mit Fluorid ist Ihre beste Wahl, nicht nur nach dem Ölziehen, sondern generell im Alltag. Damit sorgen Sie für eine entsprechende Mundhygiene und verhindern Zahnkrankheiten, indem Sie Ihr Zahnfleisch und Zahnschmelz schützen.
Warten Sie 10 bis 15 Minuten, bis Sie wieder Nahrung oder gefärbte Flüssigkeiten zu sich nehmen.
(Optional) pH-Wert optimieren
Ayurveda-Lehre legt darauf Wert, dass man nach der Ölkur jedenfalls den jetzt gekippten pH-Wert reguliert. Der Säure-Basen-Haushalt ist nach dieser Behandlung mit entsprechender Vorbehandlung und dem nachfolgenden Zähneputzen etwas instabil geworden und sollte wieder reguliert werden. Das traditionelle, hierfür bestimmte Mittel ist Pulver aus Meereskorallen, welches den pH-Wert regulieren soll. Spezielle Mundspülungen für den pH-Wert sind in den meisten Apotheken und einigen Drogeriemärkten
So bitte nicht
FAQ
Ist Ölziehen wissenschaftlich belegt?
Ja und nein. Einzelne Forschungsberichte aus Indien aus den letzten zehn Jahren sollen die positiven Effekte belegen. Kritiker aus den Wissenschaften haben jedoch viele Lücken in deren Forschung aufgezeigt, wie etwa der viel zu kurze Betrachtungs-Zeitraum von Probanden und ungenaue Messmethoden.
Vereinzelt sind sehr viele Forschungen hierzu durchgeführt worden, der Großteil soll nach den hohen Standards der Wissenschaft jedoch nicht sehr aussagekräftig sein. Zukünftig müssen systematische, langfristige Studien mit einer durchdachten Forschungsmethodik die positiven Effekte dieser Methode erst belegen, was jedoch wegen der komplexen körperlichen Zusammenhänge sehr schwierig ist.
Welche Risiken hat Ölziehen?
Alternativmedizin ist sehr interessant. Während sich die Wissenschaft offenkundig gegen diese ausspricht, berichtet eine enorme Anzahl an Menschen positive Wirkungen solcher Methoden. Wem man schließlich glaubt, ist eine ganz andere Frage. Selbst-Test ist wahrscheinlich die beste Lösung dieses Dilemmas.
„Oil-Pulling“, wie es oft genannt wird, hat an und für sich keine Risiken, außer der möglichen Zeitverschwendung, falls die Methode Humbug ist. Etwas Vorsicht ist dann geboten, falls man Füllungen (z.B. Amalgamfüllungen) hat, da durch die Spülung das Quecksilber dieser Füllungen gelöst werden kann, was sicher suboptimal ist.
Ein Zahnarzt-Besuch lohnt sich auf jeden Fall, um dies abzuklären. Selbstverständlich werden die meisten Zahnärzte eher nicht so positive Meinungen über Oil-Pulling äußern, aber ein gut gemeinter Rat ist sicherlich viel wert.
Warum nicht ins Waschbecken spucken?
Einerseits kann Öl (in den meisten Fällen ist es auch das Öl) den Abfluss verstopfen. Andererseits erzeugen die größeren Mengen an Tensiden im Öl, gemischt mit dem Keim-Mix, einen erhöhten Aufwand für Wasserkläranlagen. Vor allem Tenside kosten die Anlagen sehr viel Kraft und physische Energie. Schützen Sie somit die Natur und entlasten Sie unsere Kläranlagen, indem Sie Öl regelgemäß entsorgen.
Kann man Ölziehen statt Zähneputzen benutzen?
Keinesfalls. Es gibt nichts, was das tägliche Zähneputzen ersetzen kann und soll. Oil-Pulling ist eher ein situationsspezifischer Zusatz, um Belag zu entfernen und positive Gesundheitseffekte zu erzielen. Richtige Mundhygiene mit Zähneputzen, Zahnseide und guter Zahncreme sind deutlich nutzenstiftender.
Ölziehen trotz der Einnahme von Medikamenten?
Falls Sie sich an unsere Anleitung halten, sollten Sie Medikamente, welche sie nüchtern zu sich nehmen müssen, erst nach Punkt 4 zu sich nehmen. Anschließend sollten Sie jedenfalls Ihre Zähne mit Zahnseide putzen.
Kann man mehrere male am Tag eine Behandlung durchführen?
Wegen des relativ geringen Risikos spricht grundsätzlich nichts dagegen, der Mehrwert ist jedoch etwas fraglich. Falls Sie dies trotzdem tun, achten Sie darauf, dass sie stets einen nüchternen Magen haben. Ölziehen können Sie stichpunktartig auch vor dem Schlafengehen durchführen.
Können Kinder auch eine Ölkur durchführen?
Grundsätzlich ja, aber unter bestimmten Bedingungen. Dass Kind sollte alt genug sein, die Technik des Spülens gründlich zu beherrschen, sodass keine Erstickungsgefahr herrscht. Ab 7 Jahren ist dies meistens der Fall. Ebenso sollte nicht ein ganzer Esslöffel verwendet werden, sondern (wenn überhaupt) ein halber Esslöffel oder sogar nur ein halber Teelöffel. Das Kind muss ebenso verstehen, dass es nicht gurgeln sollte und keinesfalls das Öl schlucken sollte. Für Kinder empfehlen wird jedenfalls, vor allem auf ausreichende Mundhygiene und Prophylaxe zu achten.
Quellen
Trend Ölziehen – Evidenz und Risiko der Lipidpneumonie. (2020). https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-709864 Wolf, T. (2020). Ölziehen, Probiotika und Co. im Test.
Der Junge Zahnarzt ; Volume 11, Issue 1, Page 8-9 ; ISSN 1869-5744 1869-5752. https://doi.org/10.1007/s13279-019-0090-4